Pizza und Pseudonyme – oder einfach über mich

Anonym war mein Anfang

Ich brauchte einen falschen Namen, ein Alter Ego, eine Kunstfigur, um mit dem Schreiben anzufangen. Etwas dramatisch. Aber ich brauchte das. Für ein wenig Schutz. Ein wenig Mut. Um mich frei zu fühlen. So frei wie Internet-Trolle.

Nur habe ich meine Anonymität nicht genutzt, um Hass zu verbreiten. Nein. Ich schrieb lustige Texte über Liebe und Dating und fühlte mich wie Carrie Bradshaw aus «Sex and the city». Geht’s noch mehr Millennial? Wohl kaum. Der nächste Schritt wäre ein Rennrad, die Anmeldung zum Halbmarathon oder einen Airfryer. Aber eins nach dem anderen.

Rapper Cro sagte einmal: «Nur wer eine Maske trägt, zeigt sein wahres Gesicht». Das kann ich verstehen. Unter meinem Pseudonym konnte ich schreiben wie ich will und musste mir keine Sorgen machen, was Leute über mich denken. Ich war frecher, wilder. Und wurde nur für meine Texte gemocht – oder eben nicht. Das fand ich fair. Es war egal, dass ich Ende meiner 20er und eine Sozialpädagogin war, oder in der Garage meines Vaters im Aargau wohnte.

Sad Clown Energy und erste Texte

Ich schrieb, um mich lebendig zu fühlen – in einer Zeit, in der ich es nicht war. Ich war traurig und schrieb lustige Texte. Das half. Ganz nach dem Sad-Clown-Paradoxon: Traurige Menschen machen lustige Sachen. Stand-Up-Comedy. Clown im Zirkus sein. Witzige Texte schreiben.

Ich weiss gar nicht mehr genau, wie ich darauf kam. Doch nach der ersten Coronawelle 2020 beendete ich mein neunjähriges Arbeitsverhältnis in einem Heim für sinnesbeeinträchtigte Menschen, sass am Küchentisch meines Vaters und schrieb. Ich veröffentlichte Texte. Das machte mir Spass. Dann hörte ich damit auf. Und fange jetzt wieder damit an. Aber eins nach dem anderen.

Vom Küchentisch in die Redaktion

Vom Küchentisch meines Vaters zog es mich 2021 nach Basel, wo ich für ein Jahr ein Externat leitete für Kinder mit Autismus. Aber meine Metamorphose verlangte, dass ich meine Karriere als Sozialpädagogin vollends über den Haufen werfe. Also kündigte ich erneut. Stellte alles auf null. Und fand mich im Praktikum als Journalistin im 20-Minuten-Büro in Basel wieder. Da passierte es zum allerersten Mal.

Unter ganzen 500 Zeichen inklusive Leerzeichen stand in der Zeitung mein Name. Mein Klarname. Vanessa Travasci. Es war eine Meldung zur «Pizza Sospesa». Eine Aktion für armutsbetroffene Menschen über Weihnachten. Es fühlte sich befreiend an. Richtig. Irgendwie erfrischend. Wie der ersten Schluck aus einer eiskalten Coladose an einem heissen Sommertag. «Ahhhhhhhh».

Tschüss Pseudonym, Hallo Kamera


Nebst Journalismuskursen in Altstätten, privatem Schreibcoaching in Basel und dem Bloggen lernte ich also für ein Jahr das Handwerk von Profis im Lokaljournalismus. Ich liebte alles daran. Mein Pseudonym liess ich los. «Jetzt hast du es raus», dachte ich mir. «Genau so wird es jetzt für dich weitergehen».

Wäre es vielleicht auch. Wäre da nicht die Unbekannte X, der X-Faktor, die versteckte Variable, die… keine Ahnung. Ich bin schlecht in Mathe. Kaum hatte ich das Schreiben 2020 gefunden, liess ich es 2023 wieder los. Um meine Festanstellung als Videojournalistin im gleichen Betrieb zu starten. Und stattdessen Content Creator in einem neu geschaffenen Team wurde. Aber eins nach dem anderen.

Während meines Praktikums 2022 vertiefte ich nicht nur meine Schreibkünste. Ich lernte auch Videos zu produzieren. Ich entdeckte, dass man nicht nur mit einer Schreibfeder – beziehungsweise einer Tastatur – Menschen erreichen, informieren und unterhalten kann. Sondern auch Mikrofon und Kamera richtig gut dafür sind. Wie, wenn man merkt, dass man Pizza nicht nur mit dem Messer schneiden kann, sondern sich eine Schere auch ganz gut dafür eignet.

Zurück zum Text – dieses Mal für Print

Hungrig stürzte ich mich auch auf Storytelling in Videoform. Und fand es toll. «20 Minuten» auch. So sehr, dass ich 2023 anstatt als Videojournalistin zu starten, ins neu erschaffene «Team Entertainment» als Creator platziert wurde. Das heisst: Ich sorge vor der Kamera für Unterhaltung – im besten Fall. 

Wenn auch ungeplant, nahm ich das Angebot an. Ganz nach dem Motto der Mama von Forrest Gump: «Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiss nie, was man bekommt». (Mathe ist nicht meins, aber ich liebe Popkultur und Zitate, merkt man, oder?)


Und so gab ich das Schreiben wieder auf. Weil das Produzieren von Videos und mein Auftritt vor der Kamera volle Aufmerksamkeit brauchten. Vieles war neu, aufregend und vor allem – lebendig. Bis ich 2024 an meinem eigenen Küchentisch in Zürich sass – und wieder schrieb. Weil ich traurig war. Ich wusste es da noch nicht, aber es soll der erste Text werden, der in einem Magazin erscheint. Aber eins nach dem anderen. 

Ich schrieb über meinen ersten Besuch in Süditalien, als ich meinen Grossvater in Kalabrien besuchte – nach dem Tod meiner Nonna. Ein witziger Text, was denn sonst, über unseren gemeinsamen Ausflug in das berühmte Fischerdorf «Diamante». Ich reichte ihn bei «Globetrotter» ein – und er gefiel so gut, dass er in der Herbstausgabe 2024 erschien. Du findest ihn hier unter der Rubrik «Arbeiten». Ich hatte mich wahnsinnig darüber gefreut. Und gemerkt, dass es so ganz ohne Schreiben für mich nicht geht.

Ich mache beides. Fertig.

Heisst das im Umkehrschluss, dass ich jetzt aufhöre Videos zu machen? Auf keinen Fall. Nur weil man Pizza mit einer Schere schneiden kann, heisst das nicht, dass man alle Messer wegwerfen muss. Ich liebe beides. Und hier findest du meine Texte und Arbeiten – die hoffentlich nicht nur dann entstehen, wenn ich traurig bin. Aber keine Sorge. Bereits bei diesem Text kam aus der Tastatur nur vorfreudiges Klappern. 

Wie viele Texte hier erscheinen werden, weiss ich nicht – auch nicht, wohin es genau damit geht. Nach den letzten Jahren habe ich gelernt, dass Prognosen nicht wirklich viel bringen.  Eins nach dem anderen halt.